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Photometrisches Messverfahren zur Bestimmung der Luftwechselrate in Innenräumen - IO-Scan

INNO-KOM

02/2022 - 07/2024

M.Sc. Rebekka Grüttner

+49-351-4081-5314

abgeschlossen

Projektpartner aus der Industrie gesucht für die Überführung der Entwicklungsergebnisse in ein marktfähiges Messsystem zur Bestimmung der Luftwechselrate in Innenräumen

Einen optimalen Luftwechsel in Aufenthaltsräumen oder Reinräumen sicherzustellen ist ein nachgefragtes Ziel der Raumluftqualität. Ein zu groß eingestellter Luftvolumenstrom bedeutet neben einem guten Luftwechsel auch Energieverluste durch erforderliches Nachtemperieren der zugeführten Außenluft. Zu geringe Luftvolumenströme oder ungünstig konfigurierte Luftauslässe führen zu einem ungenügenden Luftwechsel, welcher auch lokal auf einzelne Bereiche begrenzt sein kann. Erst die Kenntnis der Größe des Luftwechsels ermöglicht optimierende Eingriffe. Luftwechselmessungen sind bis dato eine komplizierte und teure Dienstleistung, welche speziell geschultes Personal und teure Messtechnik erfordert. Das dies sich ändern lässt, zeigt das unlängst abgeschlossene Forschungsvorhaben, bei dem ein neues patentiertes Messverfahren entwickelt und getestet wurde, mit dem lokale und auch mittlere Luftwechselraten einfacher, kostengünstiger und in Echtzeit bestimmt werden können. Nach erfolgreichen Versuchen mit Prototypen im Raumströmungslabor steht im nächsten Schritt die Überführung in ein marktreifes Produkt an, wofür das ILK aktuell noch interessierte Projektpartner aus der Industrie sucht.

 

Einsatzbereiche

  • Live-Bewertung der Raumluftqualität in Form der Luftwechselrate
  • Überprüfung und Optimierung der Wirkungsweise von raumlufttechnischen Anlagen in Aufenthaltsbereichen
  • Erstmalige Möglichkeit zur Beurteilung der Aerosolreduktion bei dem Zusammenwirken von Fensterlüftung, Gebäudelüftungsanlage und mobilen Raumluftreinigern
  • Abnahme von raumlufttechnischen Anlagen

Zielstellung

Zur Gesunderhaltung der Menschen in Innenräumen spielt die Luftqualität eine wesentliche Rolle. Lange bekannt ist, dass es hierbei einer ausreichend großen CO2-Abfuhr bedarf. Spätestens seit der Corona-Pandemie wurde die Aufmerksamkeit zudem auf luftgetragene kleinste Partikel, die Aerosole, gelenkt. Lüftungsanlagen erreichen einen Luftaustausch mit der Außenluft, wodurch CO2 , Feuchtigkeit, Aerosole und Schadstoffe aus dem Raum abgeführt werden. Eine wichtige Bewertungsgröße stellt dabei die Luft­wechsel­rate (LWR) bei Lüftungsanlagen dar, welche beschreibt, wie oft das Raumvolumen theoretisch pro Stunde durch Außenluft ersetzt wird. Diese, bei der Auslegung von Lüftungsanlagen angesetzte Kennzahl, geht von idealer Lüftung im Raum aus, was in der Realität meist nicht zutrifft. Das neu entwickelte Verfahren berücksichtigt die aus den jeweils vorliegenden Randbedingungen hervorgehenden lokalen Konzentrationsunterschieden im Raum und ermittelt eine lokale LWR der relevanten Aufenthaltsbereiche von Personen. Diese Größen werden bisher mit aufwendigen und teuren Tracergasverfahren unter Verwendung des Treibhausgases SF6 ermittelt.

Im Rahmen des Forschungsvorhabens wurde ein neues Messverfahren zur Messung der Luftwechselrate erarbeitet, zwei verschiedene Prototypen entwickelt und getestet, sowie eine Verfahrensanleitung ausgearbeitet. Damit stellt es für die Zukunft einen Baustein zur Sicherstellung gesundheitlich zuträglicher Atemluft dar.

Eigenschaften des Messsystems:

  • Anwendbarkeit in Raumbereichen mit Messlängen von 1 m bis zu 50 m
  • Anwendbarkeit für Luftwechselraten-Messung über einen ganzen Raum
  • selbstkalibrierende Messvorrichtung
  • Abweichung des Messwertes zur Referenz von max. 10 %
  • Live-Messergebnisse
  • zeitlich aufgelöste Messergebnisse und damit Quantifizierung von Änderungen der Lüftungsmaßnahmen während der Messdauer möglich

Vorgehen

Das Messprinzip beruht auf der Photometrie mit der Messung der Lichtstärke. Wesentliche Komponenten des Messystems sind:

  • hochenergetische Lichtquelle (Laser)
  • lichtempfindlicher Sensor (Kamerachip)
  • luftgetragenes Aerosol (künstlicher Nebel) 
  • Computer mit Bedien- und Auswertungssoftware

In der Raumluft wird ein Nebelaerosol eingebracht und gleichmäßig verteilt. Fix im Raum stehen die Lichtquelle und der Detektor. Die aufgespannte Linie zwischen den beiden ist der Messbereich. Die Lichtstrahlen durchdringen teilweise das aerosolhaltige Luftvolumen. Bei dem Aerosol handelt es sich um feinste, in der Luft schwebende stabile Partikel, welche die Strahlungsdurchlässigkeit der Luft beeinflussen. Streuung und Absorption an den Partikeln bewirken eine Strahlungsabschwächung bzw. Änderungen der transmittierten Strahlungsstärke. Anschließend trifft die Strahlung auf den lichtempfindlichen Sensor. Aus der abgeschwächten Lichtintensität im Vergleich zur Lichtintensität vor Nebelaufgabe im Raum, lassen sich Rückschlüsse auf die Aerosolkonzentration im durchstrahlten Volumen ziehen. Der Grad der Lichtabschwächung verhält sich proportional zur Aerosol­konzentration. Von Interesse ist dabei nicht die Konzentrationsermittlung an sich, sondern allein der zeitliche Verlauf der Strahlungsleistung. Als Detektor wird ein handelsübliches Kameramodul mit CMOS-Sensor verwendet. Aus der Auswertung des zeitlichen Kurvenverlaufes der Helligkeit, analog zum bisher üblichen 2‑Punkt oder Mehrpunkt­abklingverfahren von Gaskonzentrationen (Stand der Technik), ergibt sich die gemessene Luft­wechsel­rate N in 1/h über den gewählten lokalen Strahlenbereich.

Mit Hilfe von CFD-Simulationen der Raumluftströmung in einem Modellraum wurde eine Datenbasis für Vergleiche verschiedener Messverfahren beschafft. Hieraus wurden Unterschiede verschiedener Messorte, genauer die Probennahme an einem Punkt, entlang einer Linie, mehrerer Linien oder über eine Fläche, untersucht und ausgewertet.

In dem ILK Raumströmungslabor wurde das Messsystem erprobt und ein geeignetes Messverfahren entwickelt. Zwei Prototypen wurden gebaut und erprobt. Verschiedene Aerosole bei verschiedenen raumklimatischen Bedingungen wurden auf deren optische Stabilität getestet. Die Lüftungsvarianten "Ideale Mischlüftung" und "Reale Raumluftströmung" wurden mit einem definierten konstanten Zuluft­volumenstrom gefahren und messtechnisch die Luftwechselrate mit folgenden vier Messverfahren ermittelt:

  • Tracergasmessung (Konzentrationsabklingverfahren mit SF6)
  • optisch mit Prototyp 1
  • optisch mit Prototyp 2
  • volumetrisch aus Raumvolumen und gemessenen Zuluftvolumenstrom mittels Blendenmessstrecke nach dem Differenzdruck-Verfahren (EN ISO 5167-2:2022)

Die Ergebnisse der Prototypen wurden mit denen üblicher Verfahren nach aktuellem Stand der Technik verglichen. Als genauester Referenzwert wurde die volumetrisch ermittelte Luftwechselrate herangezogen. Aus den Daten dieser Messungen wurde die Genauigkeit des neuen Messsystems bewertet.

Ergebnisse / Aktueller Stand

Die zwei entwickelten Prototypen sind zur Messung der Luftwechselrate geeignet. Prototyp 1 besteht aus einer Sende- und einer Empfangseinheit. Die Sendeeinheit umfasst einen in einem Stahlblock befindlichen Laser (Klasse 2M) auf einem Stativ. Der Stahlkörper dient hierbei als Temperaturdämpfer um den temperatur­abhängigen Laseroutput möglichst stabil zu halten. Die Empfangseinheit besteht aus einer speziell entwickelten Detektoreinheit in einem aerosoldichten Gehäuse auf einem Stativ (rechts in Bild 1), dessen Kern ein Webcam-Modul ist.

Der Prototyp 2 (Bild 2) besteht aus einem aerosoldichten Gehäuse, in welchem Laser und Detektor zusammen untergebracht sind und temperaturbedingte Schwankungen des Laseroutputs über einen Strahlteiler und Referenzstrahlmessung herausgerechnet werden. Über einen im Raum auf einem Stativ befindlichen Spiegel wird der Strahl zum Gehäuse des Prototyp 2 zurück reflektiert.

Über eine USB-Schnittstelle wird der Detektor des Messsystems an einen PC angeschlossen und die entwickelte Software mit Benutzeroberfläche (siehe Bild 3) gestartet. Im Speziellen wurde hier eine Bokeh Web App im Python Code entwickelt, die eine interaktive Benutzeroberfläche in einem Web­browser öffnet. Hierüber lassen sich der Auswertungsbereich des Detektors sowie die Zeitpunkte mit ihren zugehörigen gemessenen Helligkeiten auswählen und die Zeitverläufe der Helligkeiten abspeichern. Ein geeigneter Messablauf wurde über viele Testmessungen entwickelt und das Auswertungsverfahren bis hin zur Luftwechselrate in 1/h aus dem Helligkeitsverlauf hergleitet und getestet. Aufgrund des nachgewiesenen stabileren Aerosolverhaltens von DEHS gegenüber Effekt­nebeln wurde dieses für die Messungen der LWR verwendet.

Es wurden parallel Messungen mittels Prototyp 1, Prototyp 2, Tracergas­abklingverfahren und volumetrischem Verfahren durchgeführt und deren Ergebnisse verglichen. Als Referenzbasis für diese Betrachtung dient die volumetrisch ermittelte Luftwechselrate aus Raumvolumen und gemessenem Zuluftvolumenstrom. Die Ergebnisse bei zwangsweise idealer Mischlüftung und bei normaler, sich ausbildender Raumströmung zeigen, dass das IO-Scanverfahren zur Messung der Luftwechselrate geeignet ist. Prototyp 2 (PT2) erzielt genauere Ergebnisse als Prototyp 1 (PT1). Die erzielte Mess­genauigkeit mit Prototyp 2 ist bei idealer Mischlüftung vergleichbar mit dem Stand der Technik (Tracergas­­verfahren) und für Messungen normaler Raumströmungen sogar höher, siehe Bild 4.

Die Dauer einer Messung mit dem neuen Messsystem variiert je nach Größe des Luftwechsels und beträgt beispielsweise für einen dreifachen Luftwechsel pro Stunde 30 - 45 Minuten. Es können lokale Luftwechselraten über kurze Distanzen ab einem Meter gemessen werden als auch mittlere Luft­wechselraten für einen gesamten Raum.

Fazit / Ausblick

Das entwickelte Mess- und Auswertungsverfahren liefert im Labor valide Luftwechselraten. Untersuchungen zur Messgenauigkeit unter realen Bedingungen, einschließlich potenziell variierender Lichtverhältnisse, stehen jedoch noch aus. Konzeptuelle Vorkehrungen wurden bereits im aktuellen Prototyp 2 integriert. Damit ist die Grundlage für die Weiterentwicklung zu einem marktreifen Gerät geschaffen. Diese werden zukünftig eine deutlich einfachere, umweltfreundlichere und kostengünstigere Bestimmung von Luftwechselraten ermöglichen. Dadurch lässt sich die Effektivität von Lüftungsanlagen und -auslässen, etwa bei der Inbetriebnahme, leichter erfassen und optimieren, was ein erhebliches Energieeinsparpotential eröffnet. 

Ein weiterer potenzieller Anwendungsbereich ist die Messung der Reinigungsleistung filterbasierter Raumluftreiniger, die luftgetragene Aerosole abscheiden. Mit dem neuen Messsystem lässt sich analog zur lokalen Luftwechselrate eine lokale Raumluftreinigungsrate ermitteln. Erstmals können so auch Kombinationen aus filterbasierten und lüftungstechnischen Lösungen quantifiziert und verglichen werden.


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